Das vom BBSR für zwei Jahre geförderte Forschungsprojekt untersucht die Potenziale an der Schnittstelle zwischen Gebäude und Stadt vor dem Hintergrund des allgemein anerkannten Planungsziels der gemischt genutzten Stadt. Im Mittelpunkt des Projekts steht die erweiterte Erdgeschosszone, die hier als Stadtunterbau bezeichnet und als eigene Stadtschicht bzw. eigener Betrachtungsraum im Hinblick auf eine gemeinwohlorientierte, nachbarschaftsbildende Entwicklung von Neubauquartieren untersucht wird.

Die gemischt genutzte Stadt ist eine zentrale Forderung nachhaltiger Stadtentwicklung. Horizontale Mischung, d. h. Fügung von gewerblichen und Wohnnutzungen in einem Quartier nebeneinander wird bereits, trotz baurechtlicher Einschränkungen, in vielen Planungen vorangetrieben. Vertikale Mischung hingegen, d. h. gemischte Nutzung innerhalb einzelner Gebäude über die Geschosse, ist weiterhin eine besondere Herausforderung.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Immobilienentwickler bevorzugen monofunktionale „Produkte“, die Digitalisierung des Handels macht es kleinen Geschäften schwer und Handwerksbetriebe können sich die Mieten in Neubauquartieren meist nicht leisten oder werden als Konfliktpotential im Zusammenhang mit den Wohnnutzungen erachtet. Ein wichtiger Aspekt ist der zeitliche: Geschäftliche und kulturelle Nutzungen entwickeln sich in Neubauquartieren erst, nachdem sich eine kritische Masse von Bewohnerinnen und Bewohnern eingelebt hat. Zudem herrscht ein erhöhter Druck auf die Erdgeschosse, z. B. aufgrund des Bedarfs an neuen Mobilitätskonzepten (Fahrräder, Mobilitätsstationen) und Wertstofftrennung.

Die unteren Geschosse der Gebäude von Wohnquartieren, die an der Schnittstelle von öffentlichem und privatem Raum liegen, bergen ein erhebliches Potenzial für eine gemeinwohlorientierte, nachbarschaftsbildende Quartiersentwicklung. Um bestehende Hemmnisse zu beheben, Potenziale auszuschöpfen und schließlich vertikale Nutzungsmischungen umzusetzen, muss die Schnittstelle der unteren Geschosse als herausgehobener Betrachtungsgegenstand und als eigene Schicht behandelt werden. Im Rahmen des Forschungsprojekts wird diese Schnittstelle deshalb sowohl im wörtlichen als auch im übertragenden Sinne als Stadtunterbau bezeichnet und als Basis der gemischt genutzten und gemeinwohlorientierten Stadt betrachtet.

Beim Stadtunterbau handelt es sich sowohl um eine bauliche Schicht mit besonderen typologisch-konstruktiven Anforderungen, insbesondere in Hinblick auf Flexibilität und wandelbare Räume, als auch um eine Struktur, deren Nutzung und Aktivierung durch finanzielle, rechtliche und prozessuale Rahmenbedingungen bestimmt ist.

Indem aufgezeigt wird, wie ein baulich intelligent konzipierter und vorausschauend gesteuerter Stadtunterbau wirtschaftlich und rechtssicher umgesetzt werden kann, können Vorbehalte und Hemmnisse auf Seiten der Kommunen und Bauwilligen abgebaut und der Stadtunterbau als Katalysator einer gemischt genutzten Stadt wirksam werden.

Anhand von Fallstudien soll gezeigt werden, warum, wie und unter welchen Bedingungen und Rahmenbedingungen ein erfolgreicher Stadtunterbau in Neubauquartieren initiiert, geplant, gesteuert, umgesetzt und schließlich betrieben werden kann.

Ziel des Forschungsprojekts ist es, bereits vorhandenes vielschichtiges Wissen sowie Erfahrungen aus beispielhaften Projekten zusammenzutragen, die Instrumente auf den unterschiedlichen Handlungsebenen herauszuarbeiten und auf ihre Übertragbarkeit hin zu diskutieren. In Form eines Handbuchs soll dieses Wissen breiter zugänglich gemacht werden, Handlungsoptionen aufgezeigt und Empfehlungen ausgesprochen werden, die praxisorientiert die Umsetzung gemeinwohlorientierter, nachbarschaftsbildender Quartiere unterstützen.

Team

Leibniz Universität Hannover
Prof. Andreas Quednau
Ina-Marie Kapitola
Dr. Gunnar Hartmann

Oslo School of Architecture and Design
Prof. Sabine Müller

BARarchitekten Berlin
Antje Buchholz
Jürgen Patzak-Poor