Feldforschung | San Riemo, München Riem

Besichtigung Wohnungsbau San Riemo in München Riem, Genossenschaft Kooperative Großstadt; Führung und Gespräch mit Mathias Lahmann, Reem Almannai und Florian Fischer, Bewohner:innen 

Kooperative Großstadt eG ist eine von Architekt:innen gegründete Genossenschaft, die ihre Ziele in Arbeitskreisen und einem öffentlichen Symposium entwickelt und schließlich in ihre Satzung eingeschrieben hat. Dazu gehören die Grundsätze: „Wir wollen für die Bewohner /Bewohnerinnen und die Stadt bauen. Wir wollen durchmischt bauen und wir wollen großstädtisch bauen“. 

Mit zwei weiteren Genossenschaften (Wagnis, WOGENO) erhielt die KooGro ihren ersten Zuschlag für ein Grundstück in München Riem. Ein Neubauquartier, das die Nahversorgung in einer Shopping Mall konzentriert – ein Grund dafür, dass es hier besonders schwer war Konzepte der vertikalen Nutzungsmischung umzusetzen. Es erforderte Geduld, Durchhaltevermögen und ein hohes Maß an Idealismus. Nachdem die KooGro die Arbeiterwohlfahrt im laufenden Planungsprozess ihr Interesse für die geplante Werkstatt im Erdgeschoss zurückzog, musste nach alternativen Erdgeschoss-Nutzungen gesucht werden. Mehrere Nutzungsvarianten wurden durchgespielt – Werkstätten mit Ladezone, Musikräume, studentische Wohnformen. Durch eine Werbekampagne konnte schließlich die heutige Nutzerin, eine Stiftung für Kinder- und Jugendhilfe als Mieterin für die Räumlichkeiten im Erdgeschoss gefunden werden. 

Daneben bietet das Erdgeschoss im San Riemo Raum für eine großzügige Gemeinschaftshalle mit Eingangslobby, Waschküche, Spiel- und Aufenthaltsräume, für eine gemeinschaftlich genutzte Werkstatt, für ein Gästeapartment und für eine Gemeinschaftsküche, die einen direkten Zugang zum öffentlichen Raum hat. Durch eine Schiebetür und einen schwellenlosen Übergang zum Vorplatz und Gehweg, lässt sich die Küche in den öffentlichen Raum erweitern. Die Küche ist durch ein großes Fenster einsehbar. Die im Sommer ausgefahrene Markise, über die in derselben Pflasterung wie der Gehweg ausgebildeten Vorzone, wirkt einladend, bespielt die platzartige Situation und trägt zur Interaktion mit dem nachbarschaftlichen Umfeld bei. Über eine Mobilitätsstation und gemeinsam genutzte Tiefgarage ist das San Riemo auch mit dem benachbarten Genossenschaftsbau RIO verknüpft. Die großzügigen Gemeinschaftsflächen und gemeinschaftlich nutzbaren Einrichtungen werden von den Bewohner:innen des San Riemo über eine Umlage finanziert. Zum Ausgleich haben sie auf einige Quadratmeter an privater Wohnfläche in ihren Wohnungen verzichtet. 

Feldforschung | RIO, München Riem

Besichtigung Projekt RIO in München Riem, Wagnis Wohnungsbaugenossenschaft
Führung und Gespräch mit Angelika Zwingel, Architektin und Lena Skublics, wogeno

Der Wohnungsbau RIO in München Riem ist ein Gemeinschaftsprojekt der Wohnbaugenossenschaften wagnis eG und WOGENO, in dem nach dem München-Modell EK III und EK IV 150 geförderte und freifinanzierte Wohnungen entstanden sind. Durch die enge Kooperation der beiden Genossenschaften konnten vielfältige gemeinschaftlich und gewerblich genutzte Räume im Erdgeschoss für die Bewohner:innen, sowie für die Nachbar:innen geschaffen werden. Eine selbstorganisierte Hausverwaltung kümmert sich um die Veranstaltungs- und Gemeinschaftsräume, den Co-Working-Space, die Mobilitätszentrale mit Sharing-Angeboten, den Laden mit Stadtteilbibliothek und den Concierge-Bereich, der als erweitertes Wohnzimmer mit angegliedertem Waschsalon fungiert. Diese Nutzungen sind an den städtebaulich wichtigen Ecksituationen und Durchgängen verortet. Die Atelierwohnungen mit Schaufensterfront im Erdgeschoss zur Willy-Brandt-Allee sind aus dem öffentlichen Raum zugängliche Wohneinheiten. Sie ermöglichen die Verbindung von Wohnen und gewerblicher Nutzung und adressieren das Potential der Wandelbarkeit vom Wohnen zu Gewerbe und umgekehrt. Dafür ist es wichtig, wie das Erdgeschoss typologisch ausgebildet und wie die rechtlichen Rahmenbedingungen ausgestaltet sind, damit eine Nutzungsänderung von Wohnen zu Gewerbe zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich möglich ist, wenn sich die Nachfrage ändert und gewerbliche Nutzungen nachgefragt sind.

Im RIO werden die meisten Atelierwohnungen nicht für gewerbliche Zwecke genutzt. Derzeit befinden sich dort eine Physiotherapiepraxis und eine Hausaufgabenhilfe. Außerdem wohnt dort eine Musiklehrerin, die im Atelierraum Klavierunterricht gibt. Im Schaufenster zum öffentlichen Raum können Werbung und Produkte präsentiert werden. Die geringe Publikumsfrequenz in München Riem erschwert jedoch die aktive Bespielung der Erdgeschossflächen. Klassische Ladenlokale sind hier nicht umsetzbar. Die Gemeinschaftsräume und Atelierwohnungen im Erdgeschoss leisten einen Beitrag zum urbanen Wohnen. Sie adressieren den öffentlichen Raum. So werden zumindest kleine Impulse für die Nachbarschaft gesetzt. Der gemeinschaftlich genutzte Innenhof schafft räumliche Synergien zwischen den Genossenschaftshäusern RIO und San Riemo und trägt zur Vernetzung im Quartier bei.