Feldforschung | La Borda, Barcelona

Besichtigung Projekt La Borda Barcelona
Führung und Gespräch mit Cristina Gamboa, Lacol, Bewohnerin und Architektin 

„La Borda“ im Stadtteil Sants, La Bordeta von Barcelona ist ein „Manifest“ für quartiersbezogenes Zusammenleben. Die fünf- und siebengeschossige Blockrandschließung mit 26 um ein Atrium organisierten Wohneinheiten und einem ein- bis dreigeschossigen gewerblich und hausgemeinschaftlich genutzten Sockel fällt in der Straßenabwicklung des gemischtgenutzten Bestandsquartiers durch einen Durchgang, einen Laden mit bunter, feststehender Markise und ein transluzentes erstes und zweites Obergeschoss mit raumhohen Schiebetüren für Gemeinschaftsnutzungen auf. Das Projekt ist aus einer Nachbarschaftsinitiative für die soziale, nicht kommerzielle Nachnutzung des ehemaligen Industriegebiets Can Batlló hervorgegangen. „La Borda“ ist eine Wohn-Kooperative und als sozialer Wohnungsbau mit Einkommensbegrenzung gefördert. 2015, zur Zeit der spanischen Immobilienkrise und dem damit verbundenen Stillstand des Wohnungsbaus, wurde das Grundstück in Erbbaurecht für 75 Jahre vergeben. Es waren die prekären externen Rahmenbedingungen, die die Stadtverwaltung von Barcelona motivierten, diesen neuen Weg der Grundstücksvergabe zu gehen. 

Die erlaubte Ausnutzung des Grundstücks war im bestehenden Masterplan von den Architekten Battle i iRoig festgelegt. Auf eigene Motivation wurde im Sinn eines durchlässigen Stadtgefüges, durch das alle an der entstehenden Grünfläche partizipieren können, die im Masterplan vorgesehene geschlossene Raumkante durch eine zweigeschossige Durchwegung geöffnet. Im Gegenzug wird diese von der Stadt unterhalten. Die geforderten PKW-Stellplätze konnten auf Betreiben der Kooperative durch den Nachweis von Fahrradstellplätzen im Atrium ersetzt werden. Die Kosten einer Tiefgarage konnten so gespart und gleichzeitig ein nachhaltigeres Mobilitätsverhalten gefördert werden. 

Die Ausbildung des „Sockels“ ist von Suffizienz und einer solidarischen Wirkung ins Quartier geprägt. Weniger private Fläche resultiert bei gleicher Ausnutzung und der maximal gestatteten Wohnungsanzahl in mehr Fläche für gemeinsam genutzte Waschmaschinen, Küche, Gemeinschaftsräume und Gästewohnung. Überschlägig wurde anstatt neunzig Quadratmeter privater Fläche achtzig Quadratmeter private und zehn Quadratmeter gemeinschaftlich genutzter Raum umgesetzt. Die Ladenbetreiber:innen wurden aus dem nachbarschaftlichen Netzwerk rekrutiert und leisten in solidarischer Wirtschaftsweise einen Betrag zur gesunden Nahversorgung. In dem sich stark wandelnden Stadtteil fungieren die Gemeinschaftsflächen auch als sogenanntes „Refuge“-Gästezimmer. Waschmaschinen werden hier im Notfall, z. B. bei Räumungen, zur Verfügung gestellt.

Für das Innere des Gebäudes wirken die gemeinschaftlichen Flächen als „Puffer“ zum öffentlichen Raum. Im Erdgeschoss zum öffentlichen Park sind dazu die Küche, Essraum und Veranda angeordnet. Die auch für Kinderspiel genutzte zweigeschossige Gemeinschaftsfläche im ersten Obergeschoss ist eine im „Stadtunterbau“ hervorzuhebende Besonderheit. Die halbtransparente Polykarbonat-Fassade wurde zwar aus Kostengründen gewählt, doch hat sie sich inzwischen als Schutz der Privatsphäre der zum Teil vulnerablen Bewohner:innen und Gästebewährt. Das gemeinschaftliche Fenster zum öffentlichen Straßenraum erfüllte auch die klimatische Funktion der Querlüftung des Atriums im Sommer. Für die Buchung von Waschmaschinenzeit, Gemeinschaftsräumen und zukünftig dem Pflegebad wurde eine eigene App entwickelt.