Jürgen Patzak-Poor stellte auf dem Bauwelt-Kongress 2022 zum Thema 15-Minuten-Stadt das Forschungsprojekt „Stadtunterbau“ vor. Der Begriff der 15-Minuten-Stadt steht für eine architektonische und urbane Transformation, in der die Dinge des täglichen Lebens wieder in die Reichweite der Bewohner gerückt werden. In diesem Zusammenhang unterstrich Jürgen Patzak-Poor die Bedeutung der unteren Geschosse von Wohngebäuden für eine kompakte, gemischt genutzte Stadt und stellte die Forschungsthese zur Diskussion, dass die als “Stadtunterbau” bezeichnete Schnittstelle zwischen Gebäude und Stadt einen eigenen Betrachtungs- und Planungsraum erfordert.
Autor: sumfokokok_22
Seminar | Leibniz Universität Hannover
Im Rahmen des Seminars wurden besonders innovative in Deutschland und den europäischen Nachbarländern realisierte Modellprojekte vertikaler Mischung in Form von Fallstudien untersucht. Für jedes Modellprojekt wurde die baulich-typologische Ausformulierung der erweiterten Erdgeschosszone herausgearbeitet und die spezifische Programmierung, die rechtlichen Voraussetzungen, die Prozesse der Umsetzung und des Betriebs sowie die notwendigen Organisationsstrukturen betrachtet.
Die verschiedenen Betrachtungsebenen wurden in drei aufeinanderfolgenden Themenblöcken behandelt und einzeln untersucht. Komplementiert wurde diese Untersuchung durch eine literaturgestützte Auseinandersetzung und Diskussionen als Fortsetzung der aktuellen Stadtdebatte über gemeinwohlorientierte Mehrwerte, Innovationen und Perspektiven sowie Hardware, Software und Orgware im Zusammenhang mit der erweiterten Erdgeschosszone.
Lehrende: Prof. Andreas Quednau, Dipl.-Ing. Ina-Marie Kapitola und Dipl.-Ing. Antje Buchholz
Workshop | Best-Practice-Beispiele
Ausgehend von einer Betrachtung realisierter Best-Practice-Beispiele in Deutschland und in den europäischen Nachbarländern wurden besonders innovative Modellprojekte vertikaler Mischung ausgewählt und vertiefend untersucht.
Grundlage für die Auswahl der Projekte, die zwischen 2000 und 2020 realisiert wurden, war eine Literaturrecherche der Fachpresse im deutschsprachigen Raum. Dafür wurden die Fachzeitschriften Archplus und Bauwelt (Deutschland), Archithese und WerkBauenWohnen (Schweiz) sowie das Internetportal Baunetz der Jahrgänge 2003 bis 2020 ausgewertet und die verfügbaren Online-Archive und deren Suchfunktionen nach Stichworten wie Wohnen, Leben und Arbeiten, Erdgeschoss, Mischnutzung, kompakte Stadt etc. genutzt.
Um zu einer vorläufigen Auswahl von 35 Best-Practice-Projekten zu gelangen, wurden Ausschlusskriterien festgelegt. Dabei wurden Projekte ausgeschlossen, die zwar zur vertikalen Mischung von Wohn- und Nichtwohnnutzungen beitragen und interessante Lösungen für die Schnittstelle zwischen öffentlichem und privatem Raum aufweisen, aber aufgrund bestimmter Merkmale wie zentrale Lage, Umnutzung, programmatische Besonderheiten etc. nicht auf die Entwicklung neuer Quartiere übertragbar sind.
Auftaktkolloquium | Spreefeld Berlin
Das Auftaktkolloquium fand in dem Genossenschaftsprojekt Spreefeld in Berlin statt. Der Ort wurde gewählt, weil das Projekt mit einer 5,60 m hohen Erdgeschosszone einen Beitrag zur Diskussion über die Produktion eines Gemeinwohls durch die unteren Geschosse von Wohngebäuden leistet.
Sechs Projekte wurden vorgestellt und anschließend in einer Gesprächsrunde besprochen. Jedes Projekt spiegelte ein anderes Modell der Wohnungsproduktion wider und hat unterschiedliche Auswirkungen auf die Schnittstelle zwischen Gebäude und Stadtraum. Die Projekte wurden in umgekehrter Reihenfolge in Bezug auf das Baujahr vorgestellt und diskutiert, um parallel dazu die Entwicklung des Marktes, der Wohnungspolitik und ihrer Instrumente zu reflektieren.
Die betrachteten Projekte, die alle als Best-Practice-Projekte bezeichnet werden können, haben auf den verschiedenen Betrachtungsebenen des Entwicklungsprozesses Innovationen hervorgebracht, von den (stadt-)politischen Vorgaben über die Projektkonzeption bis hin zu den erzielten Mehrwerten. Daher ist das Zusammenspiel bzw. die Interdependenz der Betrachtungsebenen für die Analyse von Bedeutung und muss entsprechend konkretisiert und differenziert werden. In diesem Zusammenhang sind Detailkenntnisse aus dem gesamten Entwicklungsprozess der Projekte entscheidend, um die Voraussetzungen für die Innovationen und Kompetenzen zu identifizieren, die gemeinwohlorientierte Mehrwerte in den unteren Geschossen erzeugen können.